Abbeiz-Fibel

Möglichkeiten der Farbentfernung bzw. des Entlackens

Es gibt einige Möglichkeiten, um Farbe oder Lack von einer Oberfläche zu entfernen.

- Abbrennen bzw. Erweichung durch Wärme

Bei Metalloberflächen kann man unter Umständen mit einer offenen Flamme den Lack direkt wegbrennen, was allerdings oft giftige und umweltgefährliche Gase erzeugt. Bei Holzoberflächen ist dieses Verfahren wohl generell ungeeignet. Besser ist es, die Farbe oder den Lack mit heißer Luft so weit zu erweichen, dass ein leichtes Abschaben mit einer Spachtel möglich ist bzw. eine Drahtbürste verwendet werden kann. Je nach Größe und Form des zu bearbeitenden Objektes kann das sehr arbeitsaufwendig und mühsam sein. Hinzu kommt, dass es sich selten nur um eine Farb- bzw. Lackschicht handelt. Oft sind mehrere Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung übereinander vorhanden. Bei kompliziert geformten Oberflächen (Vertiefungen, Intarsien, Schnitzereien o.ä.) besteht auch die Gefahr, dass durch zu viel mechanischem Einsatz Beschädigungen entstehen.

- Abschleifen

Glatte, ebene Flächen kann man maschinell ziemlich gut abschleifen. Schwieriger und zeitraubend wird es bei komplizierter geformten Flächen, Ecken und Strukturen wie Intarsien usw. Da artet das Abschleifen schnell in eine wahre Sysiphos-Arbeit aus.

- Sandstrahlen

Bei Metall ist das Sandstrahlen mitunter eine gute Alternative, beim Holz müssen dazu schonende Strahlmittel verwendet werden, was das Strahlen verlangsamt. Nebeneffekt: raue Oberfläche.

- Abbeizen

Warum Abbeizen?

Als Abbeizen bezeichnet man die Entfernung von Farb- bzw. Lackschichten von Holz- oder Metalloberflächen mit Hilfe eines sog. Abbeizers. Dabei ist das Abbeiz-Mittel entweder flüssig oder gelförmig (pastös). Flüssige Abbeizer werden in Form eines Tauchbades angewendet. Das stößt natürlich bei Möbelstücken auf gewisse Schwierigkeiten, zumindest bei privatem bzw. handwerklichem Einsatz.

Aus diesem Grund sind die Abbeizmittel in Gel- bzw. in Pastenform angelegt, so dass der Auftrag auf die Oberfläche mit Spachtel oder Pinsel möglich ist.

Arten des Abbeizens

Grundsätzlich kann man Abbeizer in drei Kategorien einteilen:

3 Kategorien von Abbeizern

Die chemischen Abbeizer enthalten alkalische Stoffe, also Laugen wie Natriumhydroxid, Calziumhydroxid oder Ammoniak-Lösung. Sie zersetzen den Filmbildner des Lacks auf chemische Weise, so dass der Lack bzw. die Farbe weich und teilweise wasserlöslich wird. Das ist jedoch nur bei bestimmten Bindemitteln der Fall, viele neuere kunststoffbasierte Lacksysteme lassen sich auf diese Weise nicht oder nur zum Teil ablösen.

In einer 2. Gruppe finden wir rein physikalisch wirkende Stoffe, das heißt, diese verändern das Bindemittel des Lacks selbst nicht, sie erweichen es bzw. lösen es in einem Lösungsmittel auf. Meistens handelt es sich um Gemische von Lösungsmitteln, seltener liegt ein einzelner Stoff vor. Der Vorteil dieser Mischungen liegt in der universellen Anwendbarkeit, mit diesen Abbeizern lassen sich so gut wie alle Lacksysteme ablösen. Einzige Ausnahme: 2-Komponenten Systeme und bestimmte, ausgehärtete einkomponentige Lacke.

Kombinationen beider Wirkprinzipien lassen sich in einer 3. Gruppe zusammenfassen.

Es ist auch mitunter von ätzenden, lösenden und kombinierten Abbeizern die Rede, die ätzenden enthalten Laugen, die lösenden organische Lösungsmittel und die kombinierten beides.

So sollte ein guter Abbeizer wirken

Bild: So sollte ein guter Abbeizer wirken...

Die Auswahl des nötigen Abbeizmittels richtet sich zum einen natürlich nach dem Untergrund, der Abbeizvorgang soll ja keine Schäden an der eigentlichen Oberfläche hinterlassen, zum anderen nach dem abzulösenden Material. Die kombinierten Präparate enthalten sowohl Säuren bzw. Laugen und Lösungsmittel, außerdem oft noch Tenside und andere Stoffe. Die Lacke und Farben haben eine sehr mannigfaltige Zusammensetzung, so dass ein Abbeizmittel allein nie alle gestellten Ansprüche erfüllen kann.

Zu beachten ist, dass ätzende Abbeizer, also Stoffe, die Laugen enthalten (auch als Anlauger bzw. Ablauger bezeichnet) bei Holzoberflächen mit Vorsicht einzusetzen sind: sie dürfen nur bei Weichhölzern angewandt werden, das sie bei Laubhölzern Verfärbungen verursachen können.

Welche Art von Abbeiz-Mittel eignet sich für welchen Belag bzw. welches Grundmaterial?

Ölgebundene Farben, Lacke und Firnisse die mit Leinöl bzw. mit anderen fetten Ölen verarbeitet wurde und verschiedene natürliche Harze enthalten können, lassen sich mit alkalischen (basischen) Ablaugern anlösen. Die Wirkung beruht auf der Verseifung durch die Alkali-Lauge bzw. durch das Ammoniumhydroxid. Das gilt auch für die sog. Spritlacke, bei denen Harze in Ethanol gelöst wurden. Hauptsächlich wurde dazu Schellack verwendet, es gibt aber auch noch weitere Zusätze. Die Verseifung durch die Alkalien bringt die Färb-Bestandteile in eine wasserlösliche Form, so dass sie leichter abgewaschen werden können.
Um entsprechend lange auch an senkrechten Flächen haften und einwirken zu können, sollten diese Abbeiz-Mittel eine Gel-Form haben, bei kleineren Teilen ist auch ein Tauchbad in einer Flüssigkeit möglich. Die alkalischen Abbeizer eignen sich zum Entfernen von Beschichtungen auf Holz und Metall sowie Stein, bei Holz ist etwas Vorsicht durch starke Quellung geboten. Gegenüber Alkali empfindliche Metalle wie Zink und Aluminium oder auch Kupfer sollten damit nicht behandelt werden, bei diesen Metallen Abbeizer mit Lösungsmittel-Gehalt verwenden.

Unlöslich bzw. schwerlöslich in den alkalischen Ablaugern sind Farben mit hohem Kunstharz-Anteil sowie sämtliche Cellulose- und Chlorkautschuk-Systeme. Cellulose-Lacke sind Auflösungen von Acetylcellulose, Nitrocellulose und Cellulose in verschiedenen Lösungsmitteln (Cellon-, Zapon-, Nitrolacke).
Als basische Grundstoffe in den Abbeizern dienen Natronlauge, Kalilauge, Calciumhydroxid und Ammoniumhydroxid in konzentrierter Form. Etwas schonendere Produkte enthalten auch Soda bzw. Pottasche.

Welche Farben wurden früher verwendet?

Bei Stücken, die vor 1900 hergestellt wurden, kann man sehr sicher sein, dass keine Kunstharze zur Lackierung verwendet wurden. Insbesondere Nitrocellulose-Lacke kamen erst nach Beginn des 20. Jh. zur Anwendung.
Das heißt aber nicht, dass alle Farben aus dieser Zeit einfach und schnell abzulösen wären. Als Grundlage zur Herstellung der Farben und Lacke dienten damals natürliche Öle und Harze in sehr verschiedener Form. Verkochungen von Leinöl und anderen Pflanzenölen mit Harzen wie Bernstein und verschiedenen Kopalen ergaben Lacke von ausgezeichneter Haltbarkeit und Beständigkeit.
Als Lösungsmittel wurden hauptsächlich Terpentinöl, häufig aber auch schon Teer- und Erdölprodukte wie Toluol, Benzol oder Xylol verwendet.
Gemeinsam ist allen diesen Farben bzw. Lacken, dass sie sich mit alkalischen Ablaugern erweichen und chemisch lösen lassen. Unterschiedlich ist hier lediglich die Einwirkungsdauer, welche nötig ist, den Lack völlig zu entfernen. Diese Lacke wurden damals in vielen, dünnen Schichten aufgetragen. Der Ablauger bzw. Abbeizer muss also Schicht für Schicht durchdringen, was je nach Dicke einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Rein physikalisch wirkende, also organische Lösungsmittel enthaltende Abbeizer haben mit diesen althergebrachten Lacksystemen so gut wie keine Probleme. Unabhängig davon, ob (die jetzt verbotenen) Chlorkohlenwasserstoffe (Dichlormethan) enthalten sind, oder ob Lösungsmittel auf Ester- bzw. Kohlenwasserstoffbasis im Abbeizer vorhanden sind.

Welche sind heute im Einsatz?

Die Vielfalt in Art und Zusammensetzung ist heute so unübersehbar groß, dass hier vor allem auf die schwer abzubeizenden Systeme eingegangen wird. Deren Anzahl ist überschaubar.

PUR-Lacke (Polyurethan-Lacke)1

1- K-PUR-Lacke

Es existieren sowohl lösungsmittelbasierte Systeme als auch Lacke auf Wasserbasis (Dispersionen).
Die Beständigkeit gegenüber Lösungsmitteln und Chemikalien ist gut, aber nicht so hoch wie bei den 2-K-Systemen. Innerhalb dieser Gruppen gibt es aber starke Unterschiede in der Beständigkeit.

2-K-PUR-Systeme

Diese Lackesysteme haben die höchste Lösungsmittel- und Chemikalienbeständigkeit und sind daher am schwersten zu entfernen.

Anwendung bei sehr hohen Anforderungen an die Beschichtung
Autoreparatur, Flugzeugtechnik, Lackierungen für Großfahrzeuge, Baumaschinen, Kunststofflacke, Holzlackierung

Chlorkautschuk

CK-Lacke werden bei starken Korrosionsbelastungen verwendet, z.B. im Schiffsbau, als Straßenmarkierungen, Grundierung auf Beton, Metall, Holz. Gute Beständigkeit gegen Säuren, Laugen, viele Lösungsmittel.
Löslich in: aromatischen Kohlenwasserstoffen (Xylol, Toluol Ethylbenzol), chlorierten Kohlenwasserstoffen, verschiedenen Estern.

Nitro-Lacke (Nitro-Kombinationslacke, Cellulosenitrat-Lacke, NC, CN)

Diese sind heute wenig gebräuchlich, kommen aber bei älteren Möbeln usw. sehr häufig vor. Seit etwa 1920 wurden sie in größerem Maße verwendet, da sie recht schnell trocknen. Sehr verbreitet war die Anwendung der NC-Lacke in der Automobilindustrie, wo sie bis ca. 1950 in großem Maße verwendet wurden. Auch zum Schutz von Metall-Teilen vor Oxidation werden sie noch heute verwendet, die Bezeichnung "Zapon-Lack" trifft vor allem für farblose NC-Lacke zu. Ein weiteres, noch heute wichtiges Einsatzgebiet sind Holzlackierungen im Innenbereich, vor allem für Parkett-Lacke. Ihre mechanische Haltbarkeit ist gut, löslich sind sie vor allem in aromatischen KW wie Toluol, Xylol, Ethylbenzol sowie in Estern und Ketonen. Die Chemikalienbeständigkeit ist mittelmäßig, auch von Anlaugern werden die NC-Lacke bei längerer Einwirkung angegriffen.

Alkyd-Harze

Als Unterscheidung zu den aus natürlichen Rohstoffen gewonnen Naturharzen bezeichnet man diese Verbindungen auch als Kunstharze. Diese sehr umfangreiche Gruppe von Kunstharzen stellt mengenmäßig heute den größten Anteil aller Bindemittel im Lack- und Farbenbereich. Sie sind in allen Anwendungsgebieten anzutreffen.
Man unterscheidet nach dem Trocknungsablauf drei Gruppen:

Die letzte Gruppe wird nur in Verbindung mit anderen Bindemitteln als Weichmacher verwendet. Die an der Luft aushärtenden Alkydharz-Lacke enthalten Katalysatoren (Sikkative), meist sind das Schwermetall-Salze, welche die Aushärtung beschleunigen.
Im Automobilbereich wurden diese Systeme etwa bis Mitte der 70-er Jahre verwendet, beim Holz werden sie heute noch in großer Bandbreite angeboten.
Gut löslich in aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Xylol, Toluol, Ethylbenzol. Auch Ablauger-Pasten wirken, da die Harze chemisch zersetzt werden.

Zusammenfassung

Die richtige und wirksamste Vorgehensweise beim Abbeizen besteht also zunächst darin, die Holzart (Laub- bzw. Nadelholz, massiv oder Furnier) zu ermitteln. Steht diese fest, erfolgt an einer weniger auffälligen Stelle ein Test mit einer kleinen Menge des Abbeizmittels. Je nach Ergebnis kann man dann die erforderliche Menge und die Einwirkungsdauer schon etwas abschätzen.
Der Abbeizer muss lange genug auf den Lack einwirken können, ohne auszutrocknen. Entsprechende Temperaturen (nicht zu warm, keine direkte Sonneneinstrahlung!) sind dabei zu beachten. Günstig ist es, das mit dem Abbeizer eingestrichene Material mit Kunststoff-Folie (Müllbeutel etc.) abzudecken.

Zur Sicherheit

Beim Arbeiten mit Abbeiz-Mitteln ist Einiges zu beachten. Zwar werden die Chlorkohlenwasserstoff-haltigen Mittel nicht mehr hergestellt und auch nicht mehr verkauft2, so dass eine wesentliche Gefahrenquelle entfällt. Die Dämpfe des früher häufig verwendeten Lösungsmittels Dichlormethan können zu teilweise schweren Vergiftungen und langfristigen Schäden führen.
Dennoch sind auch die in den von Halogen-KW freien Abbeizern enthaltenen Lösungsmittel keineswegs ungefährlich.
Eine nicht zu unterschätzende Gefährdung geht von der Brennbarkeit der Stoffe bzw. deren Fähigkeit aus, mit Luft explosible Gemische zu bilden. Beim Vorliegen eines solchen zündfähigen Dampf-Luft-Gemisches genügt dann unter ungünstigen Umständen (die stets anzunehmen sind!) bereits ein Funke, um eine Explosion auszulösen.

 
1) Nach: "Lehrbuch Lacke und Beschichtungen", Bd. 4; H. Kittel, 2. Aufl.; S. Hirzel Verlag Stuttgart
2) Die Verwendung von Dichlormethan in Abbeizmitteln wurde durch den Beschluss 455/2009/EG des Europäischen Parlamentes am 6. Mai 2009 für Privatpersonen sowie die gewerbliche Verwendung verboten. Ausgenommen hiervon bleibt die Industrie.

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